Sexualstörungen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Seminarinhalt:

Das Sexualverhalten des Menschen ist ein komplexes Zusammenspiel soziologischer, biologischer und psychologischer Faktoren. Viele medizinisch und klinisch psychologische Fachgebiet müssen sich mit den Problemen oder Störungen des Sexualverhaltens auseinandersetzte. Zum Teil präsentieren sich dabei die sexuellen Störungen als eigenständiges Problem, zum anderen sind sie Folge von somatischen/ psychischen Erkrankungen und deren Behandlung. Häufig führen die sexuellen Probleme zu erheblichen Einbußen in der subjektiven Lebensqualität.

Auch die Prävalenz von sexuellen Störungen ist erheblich. So fand Schmidt (2005) in einer deutschen Studie eine Prävalenz von 10 % für sexuelle Funktionsstörungen. Bei einer Meta-Analyse über 52 Studien von Simons und Kerry (2001) unter Verwendung der ICD-10-Kriterien fanden sich 7–10 % Orgasmusstörungen der Frau, 1–3 % herabgesetztes sexuelles Interesse beim Mann, 1–5 % Erektionsstörungen, 4–5 % Ejaculatio praecox sowie 1–3 % verzögerter Orgasmus beim Mann. Bei den Phänomenen der Transsexualität, Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie liegt die Prävalenzrate für Männer bei ca. 1,1 % und bei den Frauen bei 0,8 % (Kuyper, 2012). Hingegen liegen epidemiologische Studien für die einzelnen paraphilen Störungen nicht vor (Bricken et al., 2013).

Dennoch haben Studien und Umfragen unter Hausärzt*innen ergeben, dass sich diese durch ihr Medizinstudium nicht ausreichend auf den Umgang mit sexuellen Thematiken im ärztlichen Alltag vorbereitet fühlen.

Auch praktisch tätige Mediziner*innen scheuen sich oft, diese als problematisch wahrgenommen Themen anzuschneiden (Gott et al. 2004). Die daraus entstehende Gefahr, dass viele tatsächlich existierende, sexualmedizinische Probleme in der ärztlichen Versorgung diagnostisch nicht erkannt und dementsprechend nicht adäquat behandelt werden, liegt auf der Hand. Eine Erklärung für die mangelnde Motivation ärztlichen Personals, Patient*innen auch auf ihre Sexualität und damit verbundene Probleme anzusprechen, könnte eine mangelhafte – oder zumindest als mangelhaft empfundene – universitäre Ausbildung darstellen: Untersuchungen legen nahe, dass das Fachgebiet Sexualmedizin in der Lehre vernachlässigt wird, was sich wiederum in der medizinischen Praxis niederschlägt.

So schätzten deutsche Medizinstudenten das Angebot sexualmedizinscher Lehre trotz großen eigenen Interesses als ungenügend ein (Turner et al. 2014). In der gleichen Befragung gab gut die Hälfte der Studierenden an, für ihre spätere Tätigkeit als Ärztin oder Arzt nicht über ausreichendes Wissen bezüglich der Sexualität des Menschen und ihrer Störungen zu verfügen. Befragungen von Ärzt*innen ergeben ein ähnliches Bild des Problems, welches nicht länderspezifisch zu sein scheint – so gaben in einer Umfrage von Morreal et al. 52% der befragten US-amerikanischen Mediziner*innen an, mit der Qualität der sexualmedizinischen Ausbildung nicht zufrieden gewesen zu sein (Morreale et al.  2010). Auch eine Erhebung unter deutschen Hausärzt*innen kam zu ähnlichen Ergebnissen: Über die Hälfte der Befragten schätzten sich im Umgang mit dem Thema Sexualität als nur "mäßig sicher", "unsicher" oder "sehr unsicher" ein (Cedzich und Bosinski 2010). Auch hier zeigte sich eine deutliche Unzufriedenheit mit der universitären Ausbildung – 87% der Teilnehmer schätzten die während des Studiums erhaltenen Informationen zu sexuellen Störungsbildern als "nicht ausreichend" ein (Cedzich und Bosinski 2010).

Dieses Seminar soll diese Lücke schließen und den Studierenden einen Überblick über die verschiedenen Einflussfaktoren menschlicher Sexualität geben und die unterschiedlichen sexuellen Störungen mit ihrer Relevanz im klinischen Alltag skizzieren. Mithilfe von Übungen zur Anamneseerhebung und Filmmaterial soll das Thema veranschaulicht werden und es wird Raum für Diskussionen geben. Ein professioneller Umgang mit dieser Thematik ist u. a. Ziel und Inhalt des Seminars.

Themen des Seminars:
  • Aktuelle Sexualthematiken
  • Rolle der Kulturgeschichte, der Religion in der Entwicklung der Sexualwissenschaft und der Sexualmoral
  • Sexualität in verschiedenen Lebensabschnitten
  • Sprechen über Sexualität, Sexualanamnese
  • Abgrenzung einer gestörten von nicht gestörten Sexualität
  • Sexualität und Sexualstörungen der Frau
  • Sexualität und Sexualstörungen des Mannes
  • Sexualberatung und Sexualtherapie
  • Geschlechtsidentitätsstörungen
  • Sexuelle Traumatisierung
  • Störungen der Sexualpräferenz und Paraphilien
  • Störungen der Sexualität als Folge von Erkrankungen und Medikamenten
Zielgruppe:
  • Medizinstudierende; Teilnahme anderer Studienfächer wie z.B. Psychologie, Pädagogik, Sozialwissenschaften erwünscht (maximale Teilnehmerzahl andere Fächer 5 Plätze)
Zugangsvoraussetzungen:

Studierende im klinischen Semester werden bevorzugt

Lernorganisation:

28 Semesterwochenstunden; Semesterkurs (ggf. Block, je nach Feiertagen), Mittwochs 15–17 Uhr

Dozentin:

Dr. Heike Anderson-Schmidt

Termine/Anmeldung:

Die aktuellen Termine und die Möglichkeit zur Anmeldung für das Wahlfach finden Sie in Stud.IP.

Kontakt

Psychologin

Dr. Heike Anderson-Schmidt (M. A., M. Sc. Psych.)

Kontaktinformationen

  • Zertifizierte Sexualtherapeutin (DGfS)

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