Forensische Psychiatrie

W2-Professur

Aktuelle Projekte

Reform der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach Paragraph 64 StGB

Leitung: Prof. Dr. Jürgen L. Müller

Hintergrund und Ziele

Das deutsche Maßregelrecht wurde in den letzten Jahren grundlegend reformiert: Nun steht als letzte der stationären Maßregel auch die Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach § 64 StGB vor einem tiefgreifenden Veränderungsprozess. Und dies aus gutem Grund:

Die Zahl der Patient*innen, die in einer Entziehungsanstalt auf Grundlage des § 64 StGB untergebracht werden, ist in den letzten Jahren erheblich angestiegen und steigt kontinuierlich weiter. Seit 1990 hat sich die Patientenzahl von 1000 auf 4000 Patient*innen im Jahr 2014 vervierfacht. Gegenwärtig sind etwa 4500 Patient*innen auf Grundlage des Paragraphen 64 StGB untergebracht. Eine ebenfalls wachsende Anzahl von Patient*innen kann die Behandlung nicht erfolgreich abschließen. Vom Bundesverfassungsgericht bereits 1994 verankert und 2007 in den Gesetzestext aufgenommen darf die Maßregel nach § 64 StGB nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg besteht. Die hiermit verbundene Erwartung hat sich nicht erfüllt. Inzwischen wird bundesweit jede zweite Behandlung (30 bis 70 Prozent) abgebrochen, aller sachverständig beratenen rechtlichen Erörterungen der Erfolgsaussicht im Gerichtssaal zum Trotz. Die Patient*innen, bei denen die Therapie wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen wurde, stellen eine besondere Risikoklientel dar: bei ihnen besteht nicht nur eine ungünstige Perspektive für Abstinenz, sondern auch für die Legalbewährung hat. Beinahe 90 % dieser Patient*innen werden binnen zweier Jahre erneut straffällig. Geeignete Behandlungskonzepte fehlen.
Doch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat keineswegs nur Schattenseiten: Die Patient*innen, die die Therapie erfolgreich abschließen, profitieren langfristig von der Behandlung und werden deutlich seltener drogenrückfällig und begehen deutlich seltener kriminelle Handlungen. Für diese Patient*innen ist die Unterbringung nach § 64 StGB den anderen Betreuungsformen überlegen.

Vor diesem Hintergrund besteht über die Notwendigkeit einer Veränderung überwiegend Einigkeit, die Art und konkrete Umgestaltung der Reform ist indes umstritten. Diejenigen Patient*innen, die die Therapie erfolgreich abschließen, profitieren langfristig von der Behandlung. Diejenigen, deren Behandlung wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen wurde, bilden eine schlecht versorgte Risikoklientel. Alternative Behandlungsangebote könnten die Versorgung verbessern.

Publikationen
  • Müller, Jürgen L. (2021): Replik zur Debatte um die Reform der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. In: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 15 (3), S. 284–287. https://doi.org/10.1007/s11757-021-00665-w
  • Müller JL, Böcker FM, Eusterschulte B, Koller M, Muysers J, Pollmächer T. Neuregelung des § 64 StGB aus psychiatrischer Sicht – Positionspapier einer Task-Force der DGPPN. Nervenarzt 2021; 92(11):1155–62. https://doi.org/10.1007/s00115-021-01109-w
  • Müller, J.L. & Koller, M., Hrsg. (2020) Reformansätze zur Unterbringung nach § 64 StGB. Der zweischneidige Erfolg der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, in: Forensische Psychiatrie im Dialog. Interdisziplinäre Impulse für Wissenschaft und Praxis. Hrsg. v. Koller, Matthias / Müller, Jürgen L. / Nowara, Sabine / Spaniol, Margret
  • Müller, J.L. (2019) Ansätze zur Reform der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, Forens Psychiatr Psychol Kriminol https://doi.org/10.1007/s11757-019-00542-7
  • Müller, J. L., Saimeh, N., Briken, P., Eucker, S., Hoffmann, K., Koller, M., ... Zeidler, R. (2018). Standards für die Behandlung im Maßregelvollzug nach §§ 63 und 64 StGB. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 12(2), 93–125. https://doi.org/10.1007/s11757-017-0445-0

Konsequenzen der Reform der Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus nach Paragraph 63 StGB

Leitung: Prof. Dr. Jürgen L. Müller

Hintergrund und Ziele

2016 trat die Novellierung des Rechts der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB in Kraft. Diese bindet die Fortdauer der Unterbringung an die zu erwartende Gefährlichkeit Zudem wurde die Frequenz externer Begutachtungen deutlich gesteigert. Es werden die Konsequenzen dieser und anderer rechtlicher Impulse auf Behandlung und Unterbringung erörtert.

Publikationen
  • Müller, Jürgen L. (2020): Krank oder kriminell? Stand und Perspektive der Forensischen Psychiatrie angesichts der jüngsten rechtlichen Vorgaben für den Maßregelvollzug. In: Jörg-Martin Jehle (Hg.): Das sogenannte Böse. Das Verbrechen aus interdisziplinärer Perspektive. 1. Auflage. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, S. 129–148.
  • Müller, Jürgen Leo (2019): Forensische Psychiatrie: Maßregelrecht auf dem Prüfstand. In: Deutsches Arzteblatt 116 (38), A 1713-6. Online verfügbar unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/210024/Forensische-Psychiatrie-Massregelrecht-auf-dem-Pruefstand, zuletzt geprüft am 27.09.2019.
  • Müller, Jürgen Leo (2019): Behandlung und Erfolg - Entwicklungen in der forensischen Psychiatrie. In: Axel Dessecker, Stefan Harrendorf und Katrin Höffler (Hg.): Angewandte Kriminologie – Justizbezogene Forschung. Göttingen: Göttingen University Press, S. 99–103
  • Müller, J., Saimeh, N., & Briken, P. (2018). Standards für die Behandlung im Maßregelvollzug nach §§ 63 und 64 StGB: Interdisziplinäre Task-Force der DGPPN. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
  • Müller, J. L., Saimeh, N., Briken, P., Eucker, S., Hoffmann, K., Koller, M., …, Zeidler, R. (2018). Standards für die Behandlung im Maßregelvollzug nach §§ 63 und 64 StGB. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 12(2), 93–125. https://doi.org/10.1007/s11757-017-0445-0

Qualitätsstandards der forensisch psychiatrischen Begutachtung

Leitung: Prof. Dr. Jürgen L. Müller

Hintergrund und Ziele

Die Bedeutung psychiatrischer Begutachtung im Zivil- sowie im Strafverfahren ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Es werden Qualitätsstandards ermittelt und die Umsetzung verfügbarer Standards geprüft. Dazu wurde eine Interdisziplinäre Task-Force zur Überarbeitung der Mindestanforderungen für Prognose-Gutachten gebildet.

Publikationen
  • Müller J. L., & Saimeh, N. (2018). Die Mindestanforderungen für Prognosegutachten: Herausforderungen an und Gründe für ein Update. Recht & Psychiatrie, 36(3), 145–149.

Prävention sexuellen Missbrauchs

Logo "Prävention sexuellen Missbrauchs (PsM)"

Team
  • Prof. Dr. Jürgen L. Müller
  • M. Sc. Tamara Wild
  • M. Sc. Isabel Müller
  • M. Sc. Lenka Klein
Hintergrund und Ziele

Mit der Göttinger Ambulanz zur Prävention sexuellen Missbrauchs (PsM) wurde von Juli 2011 bis August 2020 ein niedrigschwelliges therapeutisches Angebot für Personen mit einem sexuellen Interesse an Kindern und/oder Jugendlichen bereitgestellt. Angesprochen würden Männer und Frauen, die sich von Kindern und / oder Jugendlichen sexuell angezogen fühlen, ihre Neigung aber nicht ausleben möchten, sowie Konsumenten von Missbrauchsabbildungen (Schulz et al. 2017b, Stolpmann et al. 2017). Die PsM machte es sich zum Ziel, die persönlichen Stärken der Patient*innen auszubauen, die Selbstakzeptanz und Lebenszufriedenheit zu steigern und die Erarbeitung von Selbstkontrollstrategien zu fördern um damit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen beizutragen. Die Behandlung war für die Patient*innen kostenfrei und erfolgt unter Wahrung der Schweigepflicht. Um eine gute therapeutische Zusammenarbeit zu gewährleisten, sollte eine möglichst hohe Eigenmotivation für die Therapie vorhanden sein. Therapieauflagen im Kontext einschlägiger Verurteilungen konnten durch eine Teilnahme nicht abgedeckt werden. Gegenwärtig wird das Therapieprogramm evaluiert. Finanziert wurde die PsM über das Land Niedersachsen, die UMG sowie das Asklepios Fachklinikum in Göttingen.

Publikationen
  • Wild TSN, Müller I, Fromberger P, Jordan K, Klein L, Müller JL. Prevention of Sexual Child Abuse: Preliminary Results From an Outpatient Therapy Program. Front. Psychiatry 2020; 11:88. doi:10.3389/fpsyt.2020.00088
  • Wild TSN, Fromberger P, Jordan K, Müller I, Müller JL. Web-Based Health Services in Forensic Psychiatry: A Review of the Use of the Internet in the Treatment of Child Sexual Abusers and Child Sexual Exploitation Material Offenders. Front. Psychiatry 2019; 9:79. doi:10.3389/fpsyt.2018.00763.
  • Schulz, T., Hofter, Corinna, & Müller, Jürgen. (2017a). Prävention sexuellen Missbrauchs: Therapiemanual zur Arbeit mit (potenziellen) Tätern (1. Auflage). Weinheim, Basel: Beltz. Schulz, T., Palmer, S., Stolpmann, G., Wernicke, M., & Müller, J. L. (2017b). Presenting a treatment concept for people with a self-reported sexual interest in children in an outpatient setting. Open Journal of Psychiatry, 7(01), 1-17.
  • Stolpmann, G., Kahnt, N., Müller, I., Palmer, S., Wernicke, M., Wulf, V., . . . Müller, J. L. (2017). Diagnostik und Behandlung sexueller Missbrauchstäter: Im Maßregelvollzug nach § 63 StGB und in der Präventionsambulanz [Diagnostics and treatment of sex offenders: In psychiatric forensic committment according to § 63 StGB and in outpatient prevention]. Der Nervenarzt, 88(5), 472–479. https://doi.org/10.1007/s00115-017-0313-3

@myTabu - Online-Intervention während der Bewährungs- oder Führungsaufsicht für verurteilte Personen, die ein Kind missbraucht oder Missbrauchsabbildungen konsumiert haben

Team
  • Dr. P. Fromberger
  • Prof. J. L. Müller
  • M. Sc. Sonja Schröder
  • M. Sc. Bruno Siegel
Hintergrund und Ziele

Sexueller Kindesmissbrauch stellt eines der schädlichsten Ereignisse in der Entwicklung von Kindern dar und kann langfristige negative Folgen für die psychische und physische Gesundheit der Betroffenen nach sich ziehen. Um Kinder vor diesen Ereignissen zu bewahren, ist nicht nur ein angemessener Opferschutz notwendig, sondern auch die Täterarbeit. Präventionsprojekte für noch nicht straffällig bekannte Personen, die ein Kind missbraucht haben oder Missbrauchsabbildungen konsumiert haben, sind mittlerweile an vielen Orten in Deutschland implementiert worden. Jedoch bestehen in der Behandlung von bereits mit Kindesmissbrauchsdelikten (§§ 176ff. StGB) oder Missbrauchsabbildungsdelikten (§ 184b StGB) straffällig bekannten Personen noch Versorgungslücken. In vielen ländlichen Regionen gibt es lange Anfahrtswege und Wartelisten für eine psychotherapeutische Behandlung. Dies ist problematisch, da kurz nach der Entlassung aus dem Justiz- oder Maßregelvollzug das Risiko für einen Rückfall mit am höchsten ist. Darüber hinaus besteht für verurteilte Personen, die ein Missbrauchsabbildungsdelikt (§ 184b StGB) begangen haben, teilweise keine Anbindung an die Sexualstraftäter*innen-Ambulanzen, obwohl auch bei solchen Personen ein Therapiebedarf besteht. Die therapeutische Behandlung von Personen, die Sexualstraftaten begangen haben ist nachweislich effektiv bei der Reduzierung von Rückfällen, dafür ist jedoch ein hoher finanzieller und personeller Aufwand erforderlich. Online-Interventionen können hier ein kosteneffizientes Zusatzangebot sein, welches auch problemlos in ländlichen Gegenden einsetzbar ist und ein hohes Maß an Flexibilität bietet (Wild et al, 2019). @myTabu zielt darauf ab, eine Therapeut*innen-gestützte Online-Intervention für verurteilte Personen, die ein Kind missbraucht oder Missbrauchsabbildungen konsumiert haben und sich in der Bewährungszeit oder unter Führungsaufsicht befinden, zu entwickeln und auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Zudem wird eine Online-Risikoeinschätzung entwickelt, evaluiert und integriert, die es erlaubt, das dynamische Rückfallrisiko einer Person wiederholt und effizient durch Selbstauskunft zu erfassen. @myTabu stellt weiterhin Informationen zum wirtschaftlichen Nutzen der Online-Intervention bereit. Die Wirksamkeitsstudie wird von Frühjahr 2021 bis Frühjahr 2023 mithilfe eines randomisierten, placebo-kontrollierten Studiendesigns durchgeführt. Die klinische Studie wurde vor Beginn der Datenerhebung im Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS 00021256) registriert und von der Ethikkommission der Universitätsmedizin Göttingen zustimmend bewertet. Im Rahmen des vom BMBF geförderten Verbundprojektes (FKZ: 01KR1807A) zeigt sich die UMG verantwortlich für die Gesamtkoordination, die Entwicklung der Online-Intervention und die Durchführung der klinischen Studie.

Publikationen
  • Fromberger, P., Schröder, S., Bauer, L., Siegel, B., Tozdan, S., Briken, P., ... & Müller, J. L. (2020). @ mytabu - A placebo controlled randomized trial of a guided web-based intervention for individuals who sexually abused children and individuals who consumed child sexual exploitation material: a clinical study protocol. Frontiers in Psychiatry, 11, 1517. http://dx.doi.org/10.3389/fpsyt.2020.575464
  • Bauer, L., Schröder, S., Tozdan, S., Müller, J. L., Fromberger, P., (2021). @myTabu – Konzept einer Therapeuten-gestützten Online-Intervention für verurteilte Personen, die Kindesmissbrauch begangen oder Missbrauchsabbildungen konsumiert haben. Bewährungshilfe, 68(1), 5-22.
  • Schröder, S., Bauer, L., Müller, J. L., Briken, P., Fromberger, P., Tozdan, S., (submitted). Web-Based Interventions for Individuals who Committed Sexual Offenses Against Children: Development, Evaluation, and Implementation.
Kooperationen
  • Kriminologische Zentralstelle e. V. (PD Dr. Martin Rettenberger)
  • Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr. David Ebert)
  • Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Prof. Dr. Peer Briken)
  • Deutsche Hochschule für Polizei (Prof. Dr. Anja Schiemann)

ViRAC – Virtual Environments for the Risk Assessment of Child Abusers

Team
  • Dr. P. Fromberger
  • M. Sc. Sabrina Meyer
  • PD Dr. Kirsten Jordan
  • Prof. J.L. Jürgen Müller
Hintergrund und Ziele

Lockerungsmaßnahmen wie unbegleitete Ausgänge bei im Maßregelvollzug untergebrachten Kindesmissbrauchstäter*innen werden grundsätzlich erst nach einer aktuellen Risikoeinschätzung der Gefährdung des Proband*innen hinsichtlich erneuter Straftaten möglich. Besonders auf frühen Lockerungsstufen und bei Entscheidungen über erste unbegleitete Ausgänge zu Beginn der Maßregeltherapie ergibt sich hier ein Dilemma für die Klinikerin / den Kliniker: einerseits steigt die Zuverlässigkeit der prognostischen Einschätzung mit der Anzahl beobachtbarer Verhaltensweisen der Patientin / des Patienten in potentiellen Risikosituationen, andererseits besteht auf hohen Sicherheitsstufen keine Möglichkeit, dieses Verhalten direkt ohne Gefährdung der Öffentlichkeit zu beobachten (Fromberger et al., 2018). Bis jetzt gibt es noch keine klinisch anwendbare Lösung für dieses Dilemma. An dieser Stelle sind neue Technologien auf Basis virtueller Realitäten von Interesse: der Einsatz virtueller Umgebungen bietet die Möglichkeit, das Verhalten von Kindesmissbrauchstäter*innen in alltäglichen Risikosituationen direkt und ohne Gefährdung der Öffentlichkeit zu beobachten und so den aktuellen Gefährdungsgrad der Patient*innen realistisch und valide einzuschätzen (Fromberger et al., 2014; 2015). ViRAC entwickelt daher eine virtuelle, realitätsnahe alltägliche Risikosituation für Kindesmissbrauchstäter*innen und schafft so eine Möglichkeit, das Verhalten von Patient*innen in diesen Situationen direkt zu beobachten und zu prognostischen Zwecken einschätzen zu können.

ViRAC wurde vom 01.032013 – 01.08.2015 durch das Forschungsförderungsprogramm der Medizinische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen (https://www.umg.eu/forschung/forschungsmanagement-foma/forschungsaktivitaeten-infrastrukturen/fakultaetsinterne-foerderung/forschungsfoerderungsprogramm-der-umg/) gefördert.

Publikationen
  • Fromberger, P., Jordan, K., and Müller, J.L. (2014a). Anwendung virtueller Realitäten in der forensischen Psychiatrie. Ein neues Paradigma? Nervenarzt, 85(3):298–303. https://doi.org/10.1007/s00115-013-3904-7
  • Fromberger, P., Meyer, S., Kempf, C., Jordan, K. & Müller, J. L. (2015). Virtual Viewing Time: the relationship between presence and sexual interest. PLoS One, 10, e0127156.
  • Fromberger, P., Meyer, S., Jordan, K., & Müller, J. L. (2018). Behavioral monitoring of sexual offenders against children in virtual risk situations: A feasibility study. Frontiers in Psychology, 9(MAR). https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.00224
  • Barbe, H., Siegel, B., Müller, J. L., & Fromberger, P. (2020). Welches Potenzial haben virtuelle Realitäten in der klinischen und forensischen Psychiatrie? Ein Überblick über aktuelle Verfahren und Einsatzmöglichkeiten. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 14(3), 270–277. https://doi.org/10.1007/s11757-020-00611-2
virtuelle 3D Umgebung

Screenshot der virtuellen Umgebung

Computer-Arbeitsplatz

Das VR-Labor an der Professur für Forensische Psychiatrie

ViContact - Erstgespräche bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch - Professionalisierung von Lehramtsstudierenden durch Übung in virtuellen Szenen

Team
  • Prof. Dr. J. L. Müller
  • Dr. Peter Fromberger
Hintergrund und Ziele

Lehrkräfte fühlen sich oft unsicher, wenn sie von Schülerinnen und Schülern, die möglicherweise sexualisierte Gewalt erfahren haben, angesprochen werden. Zudem können bei Lehrpersonen im Umgang mit Schüler*innen Verdachtsmomente auf sexuelle Gewalt auftreten, die Anlass für Gespräche sein können. Virtuelle Lernumgebungen können angehenden Lehrkräften helfen, solche Erstgespräche einzuüben. In dem Vorhaben werden prototypische Szenarien aus dem schulischen Kontext (z. B. Pausenhof, Klassenraum) mit virtuellen Charakteren beiderlei Geschlechts für das Grundschulalter entwickelt und umgesetzt. Die Erprobung des Trainings und die Evaluation seiner Wirksamkeit erfolgt in vier Vergleichsgruppen mit Studierenden aller Lehrämter der Europa-Universität Flensburg. Darüber hinaus werden mit aussagepsychologisch tätigen Sachverständigen und thematisch arbeitenden Kinder- und Jugendpsycholog*innen sowie Strafrichter*innen Kriterien zur Gesprächsführung und -dokumentation erarbeitet. Das virtuelle Training soll nach erfolgreicher Evaluation für die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Lehrkräften zunächst an der Europa-Universität Flensburg zur Verfügung gestellt und Hochschulen als prototypisches Lehr- und Lernmaterial zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus ist der Einsatz der Ergebnisse in der Aus- und Fortbildung anderer Berufsgruppen (z. B. Polizistinnen und Polizisten, Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen) im Themenfeld sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorstellbar. Erstmals soll auch ein Leitfaden für die Gesprächsführung und -dokumentation in Erstgesprächen zum sexuellen Missbrauch im pädagogischen Kontext entstehen.

Bei dem durch das BMBF geförderten Verbundvorhaben ist die UMG verantwortlich für das Teilvorhaben VR Entwicklung und Evaluation (FKZ 01SR1703C).

Das Verbundvorhaben wird seit Oktober 2021 für weitere 36 Monate gefördert (FKZ 01SR2111C). Die UMG ist dabei für das Teilvorhaben der technischen Weiterentwicklung des in der ersten Förderphase eingesetzten VR-Trainings verantwortlich.

Publikationen
  • Barbe, H., Siegel, B., Müller, J. L., & Fromberger, P. (2020). Welches Potenzial haben virtuelle Realitäten in der klinischen und forensischen Psychiatrie? Ein Überblick über aktuelle Verfahren und Einsatzmöglichkeiten. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 14(3), 270–277. https://doi.org/10.1007/s11757-020-00611-2
Kooperationen
  • Europa-Universität Flensburg (Jun.-Prof. Simone Pülschen)
  • Psychologische Hochschule Berlin (Prof. Dr. Renate Volbert)

I can’t look away - Aufmerksamkeitskontrolle und deviantes sexuelles Interesse

Team
  • Priv.-Doz. Dr. Kirsten Jordan
  • Prof. Dr. Jürgen L. Müller
  • M. Sc. Isabel Müller
  • Dr. Peter Fromberger
Hintergrund und Ziele

Sexueller Kindesmissbrauch stellt einer der schwerwiegendsten Ereignisse für die gesunde Entwicklung eines Kindes dar. 2017 verzeichnete die polizeiliche Kriminalstatistik insgesamt 8.881 Tatverdächtigte wg. sexuellem Kindesmissbrauch und 5.669 Tatverdächtigte wg. Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischer Schriften (Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik Jahrbuch 2017). 25-40% der Straffälligen erfüllen die Kriterien einer pädophilen Störung. Deviante sexuelle Interessen, wie sie die pädophile Störung umfasst, stellen einen der stärksten Prädiktoren für einschlägige Deliktrückfälle dar. Zur Diagnostik eines devianten sexuellen Interesses ist es aufgrund von bewussten oder auch unbewussten Verfälschungstendenzen notwendig, Instrumente einzusetzen, die das sexuelle Interesse unabhängig von der subjektiven Aussage der Proband*innen erfassen. Auch wenn es bereits seit einigen Jahren verschiedene Forschungsansätze dazu gibt, existiert bis heute kein klinisch anwendbares, valides und reliables Instrument zur Erfassung sexuellen Interesses.

Eine Möglichkeit der differenzierteren und von Selbstauskünften unabhängigen Erfassung sexueller Orientierung stellen Aufmerksamkeitsprozesse dar, die wiederum über Blickbewegungen abbildbar sind. Bisherige Forschungsansätze haben u.a. gezeigt, dass Proband*innen des Maßregelvollzuges mit einer Pädophilie, eine beeinträchtigte Aufmerksamkeitskontrolle in Bezug auf sexuelle Reize aufweisen (Jordan et al. 2016b). Patient*innen der Göttinger Ambulanz zur Prävention sexuellen Missbrauchs (PsM) berichten im therapeutischen Kontext häufig, in Alltagssituationen von kindlichen/jugendlichen Reizen (z. B. im Supermarkt oder Bus) abgelenkt zu werden. Andererseits ist bekannt, dass die Fähigkeit zur Selbstregulation auch einer der wichtigen Risikofaktoren für eine Deliktrückfälligkeit ist. Bis heute werden allerdings Fähigkeiten der (sexuellen) Selbstregulation v.a. mittels Selbst- und Fremdberichten erfasst.

Daher wird in diesem Forschungsprojekt mit zwei verschiedenen Ansätzen daran gearbeitet, valide und reliable Instrumente zur Erfassung von sexuellem Interesse und von Aufmerksamkeitskontrolle unabhängig von der subjektiven Aussage der Proband*innen zu entwickeln. Diese sollen sowohl zur Unterstützung der Diagnostik als auch der Therapieevaluation eingesetzt werden.

Publikationen
  • Jordan, K., Fromberger, P., Müller, I., Wernicke, M., Stolpmann, G., & Müller, J. L. (2018). Sexual interest and sexual self-control in men with self-reported sexual interest in children – A first eye tracking study. Journal of Psychiatric Research, 96, 138–144. https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2017.10.004
  • Jordan, K., Fromberger, P., Herder, J. von, Steinkrauss, H., Nemetschek, R., Witzel, J., & Müller, J. L. (2016a). Can We Measure Sexual Interest in Pedophiles Using a Sexual Distractor Task? Journal of Forensic Psychology, 1(2). https://doi.org/10.4172/JFPY.1000109
  • Jordan, K., Fromberger, P., Herder, J. von, Steinkrauss, H., Nemetschek, R., Witzel, J., & Müller, J. L. (2016b). Impaired Attentional Control in Pedophiles in a Sexual Distractor Task. Frontiers in Psychiatry, 7, 193. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2016.00193
  • Fromberger, P., Jordan, K., Steinkrauss, H., Herder, J. von, Stolpmann, G., Kröner-Herwig, B., & Müller, J. L. (2013). Eye movements in pedophiles: Automatic and controlled attentional processes while viewing prepubescent stimuli. Journal of Abnormal Psychology, 122(2), 587–599. https://doi.org/10.1037/a0030659
  • Fromberger, P., Jordan, K., Steinkrauss, H., Herder, J. von, Witzel, J., Stolpmann, G., …, Müller, J. L. (2012). Diagnostic Accuracy of Eye Movements in Assessing Pedophilia. The Journal of Sexual Medicine, 9(7), 1868–1882. https://doi.org/10.1111/j.1743-6109.2012.02754.x
Kooperationen zu diesem Projekt
  • Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie Uchtspringe (Dr. Joachim Witzel)
  • Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen (MRVZN), Moringen (Dr. Dirk Hesse)
  • Klinikum Bremen-Ost Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie (Dr. Uwe Dobrunz, Dr. Ute Franz)
     
Probandin während einer Studie
Anhand von Augenbewegungen ist es möglich, genaue Einblicke in die Aufmerksamkeits-zuweisung des Menschen beim Betrachten von Reizen zu erlangen.
Messergebnisse der Aufmerksamkeit für zwei verschiedene Reize

Neurobiologie forensisch relevanter Störungen

Team
  • Priv.-Doz. Dr. Kirsten Jordan
  • M. Sc. Mona Klöckner
  • Prof. Dr. Jürgen L. Müller
Hintergrund und Ziele

Die neurostrukturellen und -funktionellen Grundlagen eines (devianten) sexuellen Interesses sind sowohl in der Grundlagen- als auch in der klinisch angewandten Forschung von Interesse. Insbesondere in der forensischen Psychiatrie ist es notwendig, experimentelle Ansätze zu nutzen, die potentiell robust sind gegenüber Manipulation. Dies wird mit zwei unterschiedlichen Ansätzen untersucht. Eigene Forschungsergebnisse zeigen, dass es möglich ist, mittels einer sexuellen Distraktoraufgabe sexuelles Interesse bei gesunden heterosexuellen Proband*innen abzubilden (Jordan et al. 2018b). Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies auch mittels der subliminalen Darbietung sexuell präferierter und sexuell nicht-präferierter Reize möglich ist (Wernicke et al. 2017). In weiteren Projekten werden beide Ansätze optimiert, und bzgl. ihres Einsatzes bei Patient*innen überprüft.
Bisherige Forschungsergebnisse zu hirnstrukturellen Veränderungen bei Kindesmissbrauchstäter*innen sind noch sehr heterogen. Dies liegt u.a. daran, dass die untersuchten Gruppen oft selbst sehr heterogen und schlecht vergleichbar sind. In einem Kooperationsprojekt mit dem Mind Research Network (MRN) Albuquerque werden hirnstrukturelle Auffälligkeiten bei verschiedenen gut definierten Probandengruppen.

Publikationen
  • Klöckner MS, Jordan K, Kiehl KA, Nyalakanti PK, Harenski CL, Müller JL. Widespread and interrelated gray matter reductions in child sexual offenders with and without pedophilia: Evidence from a multivariate structural MRI study. Psychiatry Clin Neurosci 2021; 75(11):331–40. https://doi.org/10.1111/pcn.13292
  • Müller, Jürgen L. (2020): Neuroimaging Perspectives in Pathogenesis and Therapeutic Strategies. In: Alan R. Felthous und Henning Sass (Hg.): The Wiley international handbook on psychopathic disorders and the law. Hoboken, NJ: Wiley-Blackwell, S. 289–305.
  • Jordan K, Wild TSN, Fromberger P, Müller I, Müller JL. Are there any biomarkers for pedophilia and sexual child abuse? – A review. Front. Psychiatry 2020; 10:940. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2019.00940
  • Jordan, K., Wieser, K., Methfessel, I., Fromberger, P., Dechent, P., & Müller, J. L. (2018b). Sex attracts - neural correlates of sexual preference under cognitive demand. Brain Imaging and Behavior, 12(1), 109–126. https://doi.org/10.1007/s11682-016-9669-4
  • Wernicke, M., Hofter, C., Jordan, K., Fromberger, P., Dechent, P., & Müller, J. L. (2017). Neural correlates of subliminally presented visual sexual stimuli. Consciousness and Cognition, 49, 35–52. https://doi.org/10.1016/j.concog.2016.12.011
Kooperationen
  • UMG: MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie (PD Dr. Peter Dechent)
  • Forensics Lab, Mind Research Network, Albuquerque (Prof. Kent Kiehl, Prof. Carla Harenski)

Kontakt

W2-Professur

Prof. Dr. Jürgen Leo Müller

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